„Also setzen, ordnen und wollen Wir, daß in Erlangen ein Gymnasium seyn soll, worinnen die Studirende Jugend in solchen Wissenschaften gelehret werden soll, welche sie geschickt machen, von demselben Gymnasio auf die Universität zu gehen“
Einleitung
Mit diesen Worten legte Markgraf Friedrich das Fundament für eine der ältesten Schulen Bayerns, die heute noch existiert und sich mit der von 1745 identifizieren kann. Obwohl das Gymnasium sich in viele verschiedene soziale und politische Gegebenheiten eingebettet sah, behielt es doch die Verpflichtung, Wissenschaften zur Vorbereitung auf das Universitätsstudium, also eine „vertiefte allgemeine Bildung“ (Art. 9 BayEUG) zu vermitteln, für die sich seit Gründung vor allem die beiden klassischen Sprachen Latein und Griechisch bewährt haben. Durch diese kurze Chronik des Fridericianums hoffen wir, Ihnen den besonderen Charakter dieser Schule, die sich seit fast 300 Jahren bewährt hat, nahezubringen.
Gründung und Hintergründe
Friedrich, Markgraf von Bayreuth, Brandenburg, … , gründete am 14. Juli 1745 das „Gymnasium Illustre Erlangense“. Dies geschah zwei Jahre nach Gründung der Universität, und das nicht zufällig. Die Absicht des Markgrafen war, möglichst viele Studenten für die Universität zu erhalten. Und so wurde das Gymnasium – nicht nur als physischer – Bestandteil der Universität gegründet, in deren Gemäuer es noch gut 75 Jahre bleiben sollte. Es wurde auch vom Unterrichtsprogramm, als theologisch-sprachliches Gymnasium, den Bedürfnissen der Universität angepasst.
Unter dem Rektor Friedrich Oertel, der seit 1736 Professor der Beredsamkeit und Dichtkunst war, wurden Schreiben, evang.-luth. Theologie, Philosophie und die Sprachen Hebräisch, Griechisch, Latein, Französisch und Deutsch mit der Hilfe von drei weiteren Klassenleitern, den sog. Ordinarii, in vier Jahrgangsstufen (Prima: Oberstufe – Quarta: Unterstufe) unterrichtet. Der Ordinarius der Prima war zugleich der Rektor, der Ordinarius der Sekunda der Konrektor, der der Tertia war Subrektor und der Ordinarius der Quarta wurde als Subkonrektor bezeichnet. Den vier Ordinarii halfen sog. Collaboratores, die z. B. Französisch oder das erst später eingeführte Zeichnen unterrichteten. Die vier Jahrgangsstufen waren allerdings nicht als vier Schuljahre zu deuten, denn selbst gute Schüler benötigten mindestens zwei Jahre zum Vorrücken in die nächsthöhere Stufe. Den vier festangestellten Ordinarii sowie den Collaboratores standen im Gründungsjahr 80 Schüler gegenüber.
Die Schule war – wie erwähnt – in Gebäuden der Universität im Haus „Hugenottenplatz 6“ untergebracht. Untergebracht – aber wie? – Die 80 Schüler wurden in vier schäbigen Klassenzimmern unterrichtet, so dass der Rektor ab 1820 seine Dienstwohnung als Klassenzimmer zur Verfügung stellen sollte. An eine Aula oder Fachräume war 1745 nicht zu denken.
Von Bayreuth nach Berlin
Obwohl die markgräfliche Herrschaft ab 1792 von Preußen übernommen wurde, änderte sich – vom Namen der Schule abgesehen – kaum etwas. Die Schule wurde in „Kgl. Preußisches Gymnasium“ umbenannt.
Von Preußen über Frankreich nach Bayern
Nachdem sich Preußen bis 1806 dem napoleonischen Frankreich gegenüber neutral verhalten hatte, griff es ab diesem Jahr gegen Napoleon ein und ging als Verlierer vom Feld. Nach der Übernahme durch Napoleon gelangte Erlangen nach der Neuordnung Europas 1810 unter bayerische Herrschaft. Von diesem Zeitpunkt an drohte der Schule der Untergang. Die heruntergekommene Einrichtung passte nicht in das Schema der bayerischen „Studienanstalten“ und die ungenügenden finanziellen Mittel erlaubten keine Veränderung der Verhältnisse. Auch war man der Meinung, eine derartige Schule sei in Erlangen unnötig, da es in den nahegelegenen Orten Nürnberg, Bamberg und Ansbach vergleichbare Institutionen gab. Die Zustände sollten sich bis 1819 trotz der Umbenennung in „Kgl. Bayerische Studienanstalt“ nicht ändern.
Rettung vor dem Untergang oder die Döderlein Ära
Im November 1819 kam Ludwig Döderlein, Sohn eines Altdorfer Theologen, aus Jena an das Gymnasium und brachte es im Laufe seiner Amtszeit zu einer der angesehensten Schulen Bayerns. Aber um die Leistungen Döderleins zu verstehen, muss man einen genaueren Blick auf die Zustände zu Beginn seiner Amstzeit werfen. Er fand die Schule in einem „trostlosen Zustand“ mit „fast schauerlichen“ Räumen, seit Jahren ohne feste Leitung, für manche der etwa 150 Schüler eher eine Zufluchtstätte (da „anderwärts entlassen“), charakterisiert durch „Zuchtlosigkeit“, womit Döderlein die Praxis beschreibt, dass Schulstunden nach Belieben besucht wurden, die Schüler oft wochenlang fernblieben, wenn die Eltern sie – etwa auf dem Kartoffelacker – brauchten. Bemerkenswert ist wohl auch, dass es zur Zeit Döderleins nur zwei hauptangestellte Lehrkräfte am Gymnasium gab. Anfangs galt Döderlein als Schultyrann, da er auf Abwesenheitslisten und Fächerkanon Wert legte. Die Gründe dafür, dass er die Schule von der ca. 24ten von den 28 Studienanstalten zu einer der angesehensten machte, lag aber auch daran, dass er ihr einen wissenschaftlichen, also altphilologischen Charakter gab, denn Döderlein war gleichzeitig Professor am zweiten Lehrstuhl des Seminarium Philologicum und schätzte die alten Sprachen, die damals 50 – 60 % des Unterrichtes ausmachten, für besonders wichtig. Aber er war keineswegs nur auf die Antike begrenzt, er hielt ebenso Lobreden auf Goethe und bezeichnete die schöne, zeitgenössische Literatur als „Hauptnahrung“ für die „Zöglinge“. Er legte aber auch sehr großen Wert auf Disziplin, denn zu seiner „strengen Schulzucht“ gehörte die Abschließung der Schüler vor außerschulischen Vergnügungen; also verbot er das Rauchen, den Besuch von Wirtshäusern und (teilweise) den Besuch von Bällen; außerdem förderte Döderlein den Sport mit Sparta als Vorbild.
Am 3. November 1828 fand unter Ludwig Döderlein auch der erste Umzug in das bisher vom Rentenamt benutzte mittlere Stockwerk des ehemaligen Marstalles neben dem Redoutensaal statt. Das neue Gebäude umfasste drei große und vier kleine Klassenzimmer, Zeichensaal und Aula sowie Bibliotheks-, Konferenz- und Rektoratszimmer. Die Begründung des Umzuges kann man wohl getrost umgehen und es ist auch nicht weiter verwunderlich, warum das schreckliche Inventar und die Lage neben Stallungen nicht störten.
Unter Döderlein fand am 14./15. Juli 1845 auch die erste Säkularfeier statt, die mit Gottesdienst und anschließendem Festakt mit einer Rede Döderleins begangen und u. a. von Vertretern der Universität besucht wurde.
Ludwig Döderlein wurde, nach fast 43jähriger Amtszeit, 1862 festlich in den Ruhestand versetzt und starb am 9. November des Folgejahres. In seine Amtszeit, die das Bestehen des Gymnasiums sicherte, fällt als wichtigste politische Erscheinung die Revolution von 1848.
Von König Ludwig zu Kaiser Wilhelm
Das Revolutionsjahr 1848 und der preußisch-österreichische Krieg 1866 (mit Bayern an der Seite Österreichs) gingen fast spurlos am Gymnasium vorbei. 1868 war die Schule allerdings insofern betroffen, als der Parterresaal vorübergehend zur Einquartierung von Soldaten gebraucht wurde. Ebenso im Jahr 1870, als ein Primaner als Kriegsfreiwilliger gegen Frankreich das Abitur beschleunigt ablegte.
Die wichtigste schulische Veränderung dieser Zeit war der Umzug 1879 in das Gebäude in der Oberen Karlstraße, das bis zum Umzug ins heutige Gebäude, der 1968 stattfand, fast ein Jahrhundert lang genutzt werden sollte. Das Gebäude grenzte an den Schlossgarten, an die Hamburger Straße (heute: Schuhstraße) und die Obere Karlstraße an und beinhaltete eine geräumigere Aula, eine Turnhalle und die Wohnung des Rektors zusätzlich. Vom fränkischen Pfarrer und Dichter S. Schmerl wurde das neue Gebäude im Rückblick auf seine Schulzeit folgendermaßen beschrieben: „ein grauer, unschöner Sandsteinkasten mit der Hauptfront nach Süden und zwei nach Norden zurückgebogenen, kurzen Seitenflügeln in Ost und West. Dahinter ein ziemlich kahler Schulhof, den gegen Norden eine hohe Mauer abschloß. Also von antiker Schönheit war da nichts zu schauen… Im unteren Stockwerk hausten die Lateingeier und feierten ihre Orgien besonders im Unterrichtsraum der fünften Klasse. Oben im ersten Stockwerk residierten wir Gymnasiasten, die Blüte der Menschheit.“
In dieser Zeit stieg wegen Stadtausbau und Erweiterung der Infrastruktur (Eisenbahn, Fahrschüler) die Schülerzahl auf 200 – 300 Schüler. 1891 wurde die Schule in „Humanistisches Gymnasium“ umbenannt.
Vaterland und (Erster) Weltkrieg
1895 schien das 150jährige Jubiläum nicht eigens begangen worden zu sein. Obwohl in dieser Zeit für viele Schüler und Studenten das Offizierskorps zum Vorbild wurde, haben sich einige Schüler von dem wilhelminischen Obrigkeitsstaat mit seiner Betonung, ja Verehrung von allem Militärischen distanziert. Dies war allerdings nicht als Resistenz im moderneren Sinn zu verstehen, vielmehr suchten sich die Schüler Vorbilder aus der Oberschicht.
Kaum in dieses Schema passte der damalige Rektor, Dr. Adolf Westermeyer, der von 1885 bis 1899 die Zügel der Schule in der Hand hielt. Der bereits zitierte Sebastian Schmerl beschrieb den Direktor als „ein mittelkurzer Mann, starkleibig, kurzer wilder Vollbart von graublonden Haaren, goldne Brille; er sah sehr schlecht und hatte meist entzündete Augen, aber er hatte ein gefürchtet feines Ohr.“ Sein ganzer Schulbetrieb war Schmerl zufolge „großzügig“, „vielleicht nicht ganz nach dem Geschmack dieses oder jenes schulmeisterlich denkenden, paragraphenreitenden Ministerialbeauftragten. Aber dennoch war seine ganze Art von hoher erzieherischer Wirkung“.
Um die Jahrhundertwende herrschte dann wohl eher der „vaterländische Zeitgeist“ vor. So wurde zur Erinnerung an die „weltgeschichtlichen Tage“ von 1870/71 am 1. und 2. September 1895 die übliche Sedanfeier veranstaltet, eine echt vaterländische Feier, an welcher die Gesamtbürgerschaft ohne Ausnahme teilnahm mit vorausgehender schulischer Feier im Redoutensaal mit Ansprache des königlichen Schulreferenten. Oder am 18. Januar 1896 wurde das 25jährige Bestehen des Deutschen Reiches gefeiert. Diese Gesinnung sollte bald ihren Höhepunkt in der Kriegsbegeisterung des Ersten Weltkrieges finden, der die Generation der jungen Männer auf die Schlachtfelder holte. In der Zeit zwischen 1914 und 1918 fielen ein Lehrer und 36 Schüler. Da die Schüler, die nicht „zur Fahne geeilt“ waren, „Vaterländischen Hilfsdienst“ leisten mussten, geschah es, dass bei Kriegsende die neunte (Abitur-)Klasse aufgelöst wurde und in der achten nur noch fünf Schüler anwesend waren.
Zwischen zwei Kriegen
Die kurze Epoche von 1920 bis 1933 war in vielerlei Hinsicht sehr fortschrittlich. So wurde nach den ersten drei 50-Jahre-Schritten 1920 das Bestehen der Schule wieder gefeiert. Das Fest von 1920 wurde als Mitschülerfest bezeichnet und erinnert an die heutigen Sommerfeste, die von der SMV zum großen Teil organisiert werden. Die Schüler betätigten sich aktiv an der Gestaltung der Festlichkeiten. Von Fortschritt zeugt ebenfalls, dass 1919 zum ersten Mal in der Geschichte der Schule 14 Mädchen (von insgesamt 182 Schülern) aufgenommen wurden, deren Zahl bis 1933 auf 52 stieg.
Widerstand, Verfolgung und Ideologisierung
Die Wahl Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 veränderte – zumal in einer inzwischen nationalsozialistisch geprägten Stadt – die Situation am Gymnasium deutlich, das bis dahin durchaus von humanen Werten der Aufklärung geprägt war. Gerade zwei von der nationalsozialistischen Landesregierung verfolgte, suspendierte, in „Schutzhaft“ internierte und schließlich versetzte Lehrer sahen sich in besonderer Weise diesem fortschrittlichen Schulgeist noch verpflichtet. Einer von ihnen, Karl Bullemer, von 1928 bis 1933 Rektor des Gymnasiums, war überzeugter Demokrat mit liberaler Gesinnung und Anhänger der von Friedrich Naumann gegründeten Deutschen Demokratischen Partei. Offenbar wurde er schon vor 1933 von den Nationalsozialisten in der Schule bespitzelt. Der andere, Hans Schregle, positionierte sich schon früh öffentlich gegen den aufkommenden Nationalsozialismus. Bekannt wurde der Deutschlehrer als Präsident des Fußballvereins 1. FC Nürnberg (1926 bis 1933 und 1946 bis 1947) und später als beliebter und von den Alliierten geachteter sozialdemokratischer Regierungspräsident von Ober- und Mittelfranken in der Nachkriegszeit. Die Nationalsozialisten setzten 1933 den wenig selbstbewussten Mitläufer Paul Kegler als Schulleiter ein, in welcher Funktion er u. a. für den rassistischen Schulverweis von Cécile (Lowenthal-)Hensel, die später eine angesehene Journalistin und Historikerin wurde, verantwortlich war. Unter seinem Direktorat verwandelte sich das Gymnasium radikal: Die Selbstdarstellung und der Schulalltag waren von der national-sozialistischen Ideologie, einer heute befremdlichen Kriegsverherrlichung und der vorbehaltlosen Rechtfertigung rassistischen Verhaltens geprägt. Dass im Erlanger Gymnasium dem National-sozialismus und seiner menschenverachtenden Ideologie in intensiver Weise gehuldigt wurde, liegt nicht zuletzt am Fanatismus des einflussreichen Lehrers Hermann Hornung, Gauredner, Zuarbeiter des berüchtigten Amts Rosenberg sowie Initiator und Organisator der von Julius Streicher getragenen `Frankentage´auf dem Hesselberg. Ihm zur Seite standen in hohem Maße angepasste Lehrkräfte. Unter ihnen ragte als besonders fanatisch und aggressiv der Turnlehrer Georg Brunner hervor, Vertrauensmann der Hitlerjugend und Ortsgruppenleiter der NSDAP. Eine eher kritische Haltung zum NS-Regime zeigten hingegen auch inoffiziell nur ganz wenige Lehrer, unter ihnen der Altphilologe und spätere Seminarlehrer Max Geyer. Zu den bemerkenswerten Ereignissen dieser Zeit gehörte, dass der junge Widerstandskämpfer Robert Limpert am Gymnasium (unerkannt) sein Notabitur ablegen konnte. Er wurde kurz vor Kriegsende in Ansbach von Nazischergen ermordet.
Ein schwieriger und verzögerter Neuanfang
Ein unbefangener Neuanfang 1945 war schwierig, allein weil sechs Lehrer und 121 Schüler im Krieg gefallen waren, man sich allmählich der Gräueltaten der vergangenen Zeit bewusst wurde, vorwiegend aber trotzdem auf die alten Lehrkräfte zurückgreifen musste. In diesem Jahr wurde nur provisorischer Unterricht in Räumen der Universität gehalten, und das halbtags, da man sich mit dem Ohm-Gymnasium abwechseln musste. Der normale Schulbetrieb konnte wegen der knappen Zeit und des Mangels an Lehrbüchern und Lehrkräften nicht abgehalten werden, und so wurde das Schuljahr 1946/47 vom Unterrichtsministerium in München zum allgemeinen Wiederholungsjahr deklariert. Der auf heute unerklärliche Weise wieder eingesetzte Direktor Kegler (bis 1950) formulierte in einem Jahresbericht, das Gymnasium habe „unter der tausendfachen äußeren und inneren Not der totalen Niederlage“ gelitten. Deutlich hörbar ist noch der ideologische Sprachgebrauch der NS-Zeit, auch wenn Kegler damit so etwas wie einen notwendigen Neuanfang begründen wollte. Weiterhin gab es nur noch sieben Klassen (in der NS-Zeit war die Gymnasialzeit auf acht Jahre verkürzt worden); ein Abitur fand deshalb auch nicht statt. An eine angemessene Begehung der 1945 fälligen 200-Jahr-Feier war also gar nicht zu denken.
Bewältigung der Vergangenheit?
Die Zeit von 1945 bis 1950 war geprägt von der Distanzierung von der politischen Realität, die zum Beispiel in Aufsatzthemen für die Oberstufe („Ist die Umgebung Erlangens schön?“) zum Ausdruck kam, und ebenso nahm der Idealist Schiller breiten Raum ein. Aber auch bei der Nachholung der 200-Jahr-Feier kann nicht von Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gesprochen werden. So wurde beispielsweise in der Festschrift von 1950 die Schulgeschichte auf 200 Seiten behandelt, die Zeit von 1918 bis 1945 wird jedoch auf drei (!) Seiten abgehandelt; dabei ist nur von „unseligen Einwirkungen des Dritten Reiches auf das deutsche Schulwesen“ die Rede. Das nachgeholte Jubiläum wurde mit einer Schuljahresschlussfeier mit Begrüßungsabend für Ehemalige im Redoutensaal am 12. Juli 1950 und einem Festtagsgottesdienst, Denkmalweihung und Festakt sowie einer Aufführung von „Das Lied von der Glocke“ nach F. Schiller begangen. Aus Anlass des Jubiläums wurde die Schule zum vierten und vorerst letzten Mal umbenannt. Diesmal in „Gymnasium Fridericianum Erlangen“.
Wiederaufbau und Umzug
Von 1950 an begann die Normalisierung des Schulbetriebes unter Dr. Ernst Höhne und Prof. Hans Strohm. So wurde die Gymnasialzeit 1954/55 wieder auf neun Jahre verlängert, was 1955 zum Ausfall des Abiturs führte. Weiterhin wurden verschiedene Initiativen eingeleitet; u. a. musikalische und dramatische Aufführungen, Schullandheimaufenthalte, Sportfest bzw. Schwimmfest, Arbeitskreise, Vorträge und Dichterlesungen (u. a. mit Ernst Penzoldt, Stefan Andres, Manfred Hausmann).
Da die Schülerzahlen wieder zu steigen begannen (1946: 245; 1959/60: über 400; 1967/68: 562) und die Universität Platz für ihre Bibliothek benötigte, begann man 1958 mit ernsthaften Plänen für einen Neubau. 1960 wurde der Bauplan fertiggestellt, wegen des allgemeinen Baustopps für staatliche Gebäude die Bauarbeiten allerdings verzögert. Im Frühjahr 1966 konnte man aber endgültig mit den Bauarbeiten beginnen, so dass das Richtfest am 26. Juni 1967 gefeiert wurde. Am 11. September 1968 fand der Umzug in das Gebäude in der Sebaldustraße in Form eines bunten Festzuges von Schülern und Lehrern statt. Die Umzugs- und Einrichtungsarbeiten fanden am 19. Oktober 1968 mit einer Aufführung der Carmina Burana in der neuen Aula ein Ende.
Verspätete Revolutionsspiele von Bürgerkindern
Noch während die meisten damit beschäftigt waren, sich im neuen Gebäude zurechtzufinden, brach auch schon wieder Krieg aus. Die Konfrontation zwischen Schülern und Lehrern entstand aber nicht aufgrund von Missständen, sondern fand ihre Wurzeln in der Studentenbewegung. 1965 zogen die Studenten auf die Straßen, um mit Zustimmung, ja Unterstützung durch die Obrigkeit hochschulpolitische Ziele durchzusetzen. Ab 1967 weitete sich dies zum Protest gegen Diktaturen aus, die Menschenrechte verletzten, aber dennoch u. a. von der Bundesrepublik toleriert wurden; hinzu kam der Vietnamkrieg. Mit dem Rückzug der USA aus Vietnam und der Realisierung der bildungspolitischen Ziele wurde der Protest für die junge Generation immer mehr zum Selbstzweck. Wie der neue Direktor, Dr. Leo Suschko (ab Schuljahr 1970/71), meinte, wollte „ein sehr solider Kern linksextremer Schülergruppen“, die „Herren über die Schülermeinung waren“, den Konflikt, der sich an der Schülerzeitung „Unser Kreis“ entzündete. Der neue Direktor griff ein und erklärte die Wahl der Redaktion für ungültig und verbot die Durchführung von Arbeitskreisen mit der Begründung, dabei würde kommunistische Indoktrination betrieben. Bei der Feier von 1970 (225 Jahre) konnte also von keiner Feier mit Schülerunterstützung die Rede sein. Die Schülervertreter reagierten mit Verteilung der nicht genehmigten Schülerzeitung und mit Flugblattaktionen („UK Aktuell“ mit Hammer und Sichel); sie beschuldigten das Direktorat, eine „Willkürherrschaft und Diktatur“ auszuüben und die Schüler ihrer Freiheiten zu berauben.
Langsam jedoch liefen sich die Proteste tot, so dass der Schwerpunkt der linksextremen Schüleraktivität außerhalb der Schule lag. 1972/73 gab es nur noch einen Konflikt um die Nachfolge Schülerzeitung und das politische Interesse flaute ab. Typisch für die Einstellung war, dass die SMV (Schüler-Mit-Verantwortung) ihren Bericht als (Un-)Tätigkeitsbericht im Jahresbericht veröffentlichte. Auch Abiturfeiern, die es in Konfliktzeiten nicht gab, wurden 1975 unter großer Teilnahme wiedereingeführt. Von Oben betrachtet konnten diese „Schülerunruhen“ als mutwilliger und unsinniger Trotz mit viel Doktrinarismus und Polit-Kauderwelsch und Intoleranz abgestempelt werden. Dahinter steckten aber ernsthafte, ja moralische und prinzipielle Motive im Gegensatz zum Materialismus der Wiederaufbau- und Wirtschaftswunderzeit, aber auch der lange verdrängte Generationenkonflikt. Vielleicht war auch die mangelnde Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit Grund der Feindseligkeit gegenüber der Schule.
Auf und Ab der Gegenwart
Die letzten Jahre können wohl, da sie ja zum großen Teil Gegenwart sind, nur kurz angedeutet werden; außerdem gibt es in allen Unterpunkten der Homepage genügend Informationen zur Gegenwart. Ab 1970 begannen die Schülerzahlen am GFE zu steigen (1970: um 650; 1975/76: um 800), was zu Platzmangel und der Belegung einiger Räume in der Michael-Poeschke-Schule (knapp zehn Gehminuten vom „Hauptgebäude“ entfernt) führte. Ein Erweiterungsbau 1978 für Fachräume führte damals zur Entlastung des Altbaues, allerdings waren der heutige Theaterraum und das Mittelstufenzimmer zu Klassenzimmern umfunktioniert worden. Der Schülerexplosion der 70er folgte der Schülerschwund der 80er Jahre (1980: 700; 1986/87: unter 500; 1989: Tiefpunkt 420). Man begann fast wie 1820 um den Bestand der Schule zu fürchten.
Weitere Änderungen brachte die Einführung der Kollegstufe mit 40seitigem Erfahrungsbericht über das Kollegstufenjahr im Jahresbericht von 1971/72. Die Kollegstufe kam den Schülern vor allem dadurch entgegen, dass nun nach der 11. Klasse im Rahmen einer gewissen Wahlfreiheit bestimmte Fächer abgelegt oder andere verstärkt belegt werden konnten. Diese Öffnung trug zu einem erheblichen Teil dazu bei, dass das humanistische Gymnasium sich in der Konkurrenz mit anderen Gymnasialtypen (mathematisch-naturwissenschaftlich; neusprachlich; musisch; wirtschafts- und sozialwissenschaftlich) behaupten konnte.
Das bayerische Gymnasium war – bis auf das Intermezzo zwischen 1938 und 1954 – neunjährig gewesen. Ein tiefe Zäsur gab es für die Gymnasien in Bayern im November 2003. Denn da gab der bayerische Ministerpräsident – zur völligen Überraschung aller Betroffenen (Lehrer, Schüler, Eltern) – die Einführung des achtjährigen Gymnasiums in Bayern mit sofortiger Wirkung bekannt. Die Fünftklässler waren also noch als G9-Schüler ins Gymnasium eingetreten und wurden nun, im laufenden Schuljahr, zu G8-Schülern gemacht. Die Implementierung des G8 fiel in die Verantwortung des seit dem Jahr 2000 amtierenden Schulleiters Gerhard Hammer, des Nachfolgers von Hanns Kuen (1985 – 2000). Die Einführung des G8 hatte weitreichende Folgen. Denn es musste nicht nur in kürzester Zeit ein neuer Lehrplan geschaffen werden; der deutlich zunehmende Nachmittagsunterricht führte auch dazu, dass seitdem den Schülern ein Mittagessen in einer eigens dafür errichteten Mensa angeboten wird. Die Veränderung machte sich zudem bei den Schülerzahlen bemerkbar: Sie sanken merklich durch den Wegfall der 13. Jahrgangsstufe nach dem Jahr 2011. Im Schuljahr 2020/21 hat das Gymnasium Fridericianum etwa 480 Schülerinnen und Schüler.
Dem gesellschaftlichen Wandel wird ferner dadurch Rechnung getragen, dass Schüler im Rahmen einer Offenen Ganztagsschule am Nachmittag in der Schule betreut werden (im Schuljahr 2020/21 etwa 50).
Auch in anderer Hinsicht hat sich am Fridericianum ein Wandel vollzogen. Während das in den 70er Jahren eingeführte Sprachlabor, das die Erwartungen nicht erfüllt hatte, wieder abgeschafft wurde, sind mittlerweile zwei Computerräume eingerichtet worden; die Ausstattung der Klassenräume mit Rechnern, Beamern und Dokumentenkameras ist abgeschlossen. Computer und Internet sind aus der Schule nicht mehr wegzudenken, und auch der Vertretungsplan, der generationenlang handschriftlich oder gedruckt im Schaukasten ausgehängt worden war, ist inzwischen über das Infoportal einsehbar.
Einen tiefgreifenden Einschnitt stellt gerade die Corona-Krise dar. Es ist noch nicht absehbar, in welcher Weise sich die Schule – besonders in digitaler Hinsicht – verändern wird.
Anliegen der Lehrkräfte, der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern ist es auch in Zukunft, die humanistische Identität, die sich besonders in den Fächern Latein und Griechisch zeigt, im permanenten Wandel der Zeiten und Verhältnisse zu bewahren und andererseits wertvolle Neuerungen anzunehmen und zu integrieren.